Libyen und Ägypten 1999/2000

Drei Monate Überwintern in Nordafrika
und bis fast in den Sudan


14. Vom braunen Fluß zum Roten Meer

Endlich wieder Piste!
Endlich wieder Piste!
Aussicht von Kübel auf Unimog
Aussicht von Kübel auf Unimog

Die schon bekannte Teerstraße nach Ostsüdost geht nach einigen Kilometern in eine zunächst stark zerwühlte, weichsandige Piste über. Arnd kann mal seine Kübelwagen-Fahrkünste unter Beweis stellen.

 In voller Fahrt
In voller Fahrt

Traumhafte, unberührte Landschaft empfängt uns. Aus der sandigen Ebene ragen kahle, dunkle Berge empor. Vereinzelt stehen Akazien dazwischen. Mit stark erniedrigtem Luftdruck kommen wir im Sand gut voran, bleiben kaum stecken. Gegen Abend dreht die Piste allmählich nach Süden.

Am Nachtlagerplatz führe ich einen Ölwechsel durch. Das Altöl wird zusammen mit anderem Müll verbrannt.

Malerische Landschaft am Wendekreis des Krebses
Malerische Landschaft am Wendekreis des Krebses
Einsame Akazie in einsamer Landschaft
Einsame Akazie in einsamer Landschaft

Wir sind weit vom Kurs abgekommen! Hier geht's nur noch nach Süden, wir müssen jedoch einen östlich gelegenen Gebirgszug nördlich umfahren. Also zurück. Tatsächlich finden wir Spurenbündel, die in die Berge hineinführen. Teilweise müssen nun Dünen über- und umfahren werden. Weiterhin wunderschöne Landschaft. Fast schwarze Berge über hellem Sand.

Frühnachmittags treffen wir bei Bir Abrak auf einen Militärposten. Helle Aufregung, als man erfährt daß wir ohne "Tasrih" (= Genehmigung) unterwegs sind. Per Funk werden unsere Personalien an den Hauptposten in Shalatein an der Küste weitergegeben. Wer? Wieviele? Woher? Wohin? Warum? Welche Route? Schuhgröße? Lieblingsfarbe? Ein Soldat wird abgestellt, um uns zur Küste zu begleiten.

Auf den ersten Kilometern zeigt mir Mustafa die Richtung an, die zu fahren ist. Schon bei der ersten Pistenverzweigung jedoch versagen seine Ortskenntnisse kläglichst. Ohne GPS wären wir vermutlich aufgeschmissen. Um den richtigen Kurs zu halten, müssen wir weitgehend querfeldein fahren, wobei wir uns im Wesentlichen an ein Wadi halten. Mini-Dünen, Gestrüpp und Gräben müssen überwunden werden.

Unsere Anstalten, bei Einbruch der Dunkelheit ein Nachtlager aufzuschlagen, stoßen bei Soldat Mustafa auf strikte Ablehnung. Wir lassen ihn nicht hängen – er führt ja nur einen Befehl aus – und gelangen nach weiteren 1,5 Std. zur Militärstation.

Hier geht die Fragerei wieder los, man will noch genauer wissen, was wir hier zu suchen haben. Landkarten? GPS? Skizze der Fahrstrecke? Lieblingsessen? Unterhosenmarke? Alles wird per Fax und Telefon an einen weiteren Posten durchgegeben. Offenbar sind wir unbemerkt in eine Art militärisches Sperrgebiet (Grenznähe!) eingedrungen und werden nun als Spione verdächtigt! Ägypter und Sudanesen mögen sich leider nicht riechen. Das absurde Verhör dauert bis weit in den Abend hinein, während wir ihnen zwei Schachteln Dattelkekse wegessen. Letztlich kommt man überein, uns zum Chef der Grenzpolizei zu überstellen. Dieser ist in Abu Ramad stationiert, das sich weitere 150 km südöstlich befindet. "Ägypten - die Wahrheit" wird durch ein weiteres, umfangreiches Kapitel bereichert.

Dort kommen wir nach Mitternacht an - es ist der 3. Februar und Borkos 32. Geburtstag. Die bescheuerte Fragerei geht nun NOCH mehr ins Detail. Der Inquisitor gibt alle Informationen per Telefon ans Außenministerium(?) weiter. Eins wird endgültig klar: die Weiterreise in den Sudan ist auf diesem Weg zur Zeit unmöglich. Die ganzen Quatschköpfe in Assuan haben also Blödsinn erzählt. Wir machen indes aus unserem Unmut keinen Hehl mehr. Wir sind hundemüde und ausgehungert.

Um 2 Uhr nachts endlich werden wir vorerst entlassen, müssen aber gleich vorm Gebäude übernachten.

Die Aufforderung zur Verhörfortsetzung am nächsten Morgen schlagen wir aus und verziehen uns für ein ausgiebiges Frühstück erstmal in den Unimog. Von Neil & Sue erfahren wir später, daß unser Fall nun dem Außenministerium(!) in Kairo vorliegt und wir auf ein Antwort-Fax warten müssen.

Der Größe nach sortiert in "Toilet Town"
Der Größe nach sortiert in "Toilet Town"

Währenddessen gehen wir im Meer baden und schnorcheln. Ein völlig unberührtes, vermutlich kaum jemals betauchtes Riff mit bunten Korallen, Fischen, Muscheln und anderem Gewürm liegt direkt vor der Küste! Mein erster Live-Kontakt mit einem tropischen Meer. Und das gleich neben "Toilet Town", wie Mike den Ort angesichts der Heruntergekommenheit getauft hat.

Gegen Abend erhalten wir die Erlaubnis, sogar ohne Eskorte weiter, das heißt allerdings nach Norden fahren zu dürfen. Am Unimog wird noch geschraubt, so daß wir eine weitere Nacht hier bleiben werden. Vom Polizeichef werden wir nun sogar zum Essen eingeladen! Wir sitzen also unter Palmenzweigdach auf der Terrasse am Strand und lauschen dem Meeresrauschen... Eins muß man den Arabern lassen: bei allem Chaos und der Unorganisiertheit kommen Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft niemals zu kurz! Das war schon bei der Einreise nach Ägypten so und bestätigt sich auch hier wieder.

Anschließend feiern wir Borkos Geburtstag mit 32 Teelichtern und Schokoladen-Rum-Speise, die bei der Zubereitung unfreiwillig flambiert wird.

Nach gebührender Verabschiedung verlassen wir am nächsten Morgen diesen unwirtlichen Ort, der mit rund 3500 km Entfernung in Luftlinie von Türkenfeld den am weitesten entfernten Punkt unserer Reise markiert.